Klassisches Reiten ist ein an der Natur orientiertes Reiten, d.h. jedes Pferd wird im Rahmen seiner individuellen Talente und Möglichkeiten gefördert und so geritten, wie es seinem Gebäude und seinem Ausbildungsstand angemessen ist. Nicht jedes Pferd hat so viel Talent im hohen Sport erfolgreich zu sein, aber jedes Pferd profitiert von der systematischen und kräftigenden Entwicklung seiner Gänge und Muskulatur, wodurch sein gesamtes Potential erreicht werden kann.
Jedes Pferd, ganz gleich welcher Rasse oder welcher Ausbildungsklasse, profitiert von einer Ausbildung, die ihm hilft, sich besser auszubalancieren, geschmeidiger, leichter, zuverlässiger und ausdauernder zu werden.
Ein Pferd, das auf solche Art und Weise heranreifen darf, fühlt sich wohl und ist mit sich und seiner Welt im Einklang; diese Pferde machen dem Reiter und dem Zuschauer Freude!
In der täglichen Arbeit mit den Pferden folge ich dem Weg der alten Meister. Die Ausbildungsmethode, die ich selbst praktiziere und weitergebe, ist geprägt von Ausbildern wie Marc de Broissia, Desmond o‘ Brian, langjährigen Weggefährten von Jean-Claude Dysli oder Philippe Karl, die alle die Lehren von Pluvinel, de la Guieriniere, Baucher, Steinbrecht und Nuno Oliveira umsetzen und lehren.
Diese Künstler im Sattel haben einen Ausbildungsweg entwickelt, der auf jedes Pferd individuell abgestimmt werden kann. Er hilft jedem Pferd, sich umfassend zu entwickeln, ganz gleich um welche Rasse oder welchen Typ es sich handelt und welchen Anforderungen sich das Pferd hauptsächlich stellen muss.
Diese Art des Trainings ist nicht nur für Dressurpferde geeignet, sondern auch Springpferde, Vielseitigkeitspferde, Freizeitpferde, Fahrpferde und sogar Westernpferde und Gangpferde verbessern sich hinsichtlich ihrer Rittigkeit, ihrer Zuverlässigkeit, ihrer Geschmeidigkeit und ihrer physischen und mentalen Gesundheit.
In dieser Art des Trainings ist es ähnlich wie beim Hausbau; wenn das Fundament schwach ist, kann man darauf keinen Palast bauen! Soll heißen, Fehler, die in schweren Lektionen auftreten, sind eigentlich immer auf Schwächen in der Grundausbildung zurückzuführen.
Systematische Grundlagenarbeit wird im Laufe der Zeit jedem Pferd innerhalb seiner natürlichen Grenzen zur höchsten Entfaltung seiner Talente verhelfen. Dabei werden schwere Lektionen in dem Maße reitbar und relativ gesehen immer einfacher, je perfekter Pferd und Reiter die Grundlagen beherrschen. Das wirkt einerseits auf manche Reiter vielleicht demotivierend, weil es keinen „schnellen Weg“ gibt, keinen Ersatz für tägliche und vor allem ehrliche Arbeit, andererseits ist es beruhigend zu wissen, dass man früher oder später sein Ziel erreichen kann, wenn man der Methode treu bleibt und sich auch immer wieder die Zeit zur Selbstreflexion nimmt.
Die elementaren Trainingseinheiten der Pferdeausbildung lassen sich am ehesten so subsumieren:
Die Pferde sollen bei der Arbeit jederzeit willig vorwärts gehen, sich durchparieren, biegen und wenden lassen, seitwärts übertreten und rückwärtsrichten lassen. Ein weiteres Ziel ist es, jederzeit nahtlose Übergänge auszuführen zwischen Gangarten, innerhalb der Gangarten, von geraden Linien zu gebogenen Linien und umgekehrt, von Zirkeln zu Volten und umgekehrt, vom Geradeausreiten zu Seitengängen und umgekehrt, von einem Seitengang zum anderen, von einer Biegung zur anderen, von einer Hand zur anderen. Auch ein Durchparieren und wieder Anreiten in Seitengängen ist eine wichtige Übung.
Dabei müssen Anlehnung und Haltung, Takt und Tempo, aber auch Gleichgewicht und Geschmeidigkeit stets erhalten bleiben.
Die alten Meister lehrten, dass Gleichgewicht und Geschmeidigkeit die Eckpfeiler der Dressur sind. Das Gleichgewicht setzt sich zusammen aus einem absolut regelmäßigen Tempo und der perfekten Ausrichtung der Hüften und Schultern des Pferdes auf den gerittenen Hufschlaglinien (mit anderen Worten: Geraderichtung), wofür wiederum die Ausrichtung der Schultern und Hüften des Reiters und auch dessen absolut gerader und ausbalancierter Sitz eine Grundvoraussetzung ist.
Es ist von enormer Wichtigkeit, dass Zirkel und Volten rund und gerade Linien wirklich gerade sind. Daher muss auch jede Trainingseinheit mit dem korrekten Reiten der Hufschlagfiguren und einem gleichmäßigen Tempo geritten werden. Auf dieser Grundlage können sich dann die Losgelassenheit, die richtige Anlehnung an eine feinfühlige und nachgiebige Hand, sowie Schwung und Versammlung entwickeln.
Bei jedem Umgang mit dem Partner Pferd, muss dessen körperliches und seelisches Wohlbefinden oberste Prämisse sein. Alle anderen Begleiterscheinungen, wie z.B. die Dauer des „Anreitens“ oder geplante Turnierteilnahmen, sind von absolut untergeordneter Bedeutung.
Was nützt es denn, wenn ein Pferd in Rekordzeit Angeritten oder zur „schweren Klasse“ ausgebildet wurde, es dann aber mit 13 Jahren (also eigentlich im besten Alter) platt ist und in den Ruhestand gehen muss?
Ich halte es da lieber genau wie Waldemar Seunig , der schreibt: “Eine Dressur, deren Endergebnis nicht auch konservierend ist, hat keine Daseinsberechtigung und unterbleibt besser ganz.”
Das Zusammenspiel mit dem Pferd, jede Hilfe, jede Übung oder Lektion ist eine Lernerfahrung und macht es entweder besser oder schlechter. Es gibt keinen Mittelweg. Und eine Verschlechterung möchte sicherlich niemand in Kauf nehmen, daher darf man sich auch nicht durch Gedankenlosigkeit selber sabotieren. Die Ausbildung hat als oberstes Ziel, das Pferd immer zuverlässiger und gehorsamer machen und es besser auf die Reiterhilfen abstimmen, ganz gleich in welchem Rahmen oder unter welchen Umständen es geritten wird.
Die Dressur war früher hauptsächlich eine Vorbereitung für den Einsatz als Kriegs- oder Jagdpferd des Adels oder der Könige; Leben und Gesundheit des Reiters hingen nicht selten von der Qualität der Dressurausbildung seines Pferdes ab. Heute besteht die Aufgabe des Ausbilders darin, durch eine gründliche Arbeit ohne Tricks und Abkürzungen die Qualität und Gesundheit des Pferdes zu fördern und zu erhalten!